In den letzten Wochen habe ich viel Zeit im Haus meiner Mutter verbracht – einem Ort, den sie mit Liebe, Sorgfalt und Schönheit gestaltet hat. Es ist ein Haus voller Erinnerungen, voller Leben, voller Wandel. Während sie sich nach einem Sturz in der Reha erholt, habe ich begonnen, all das zu reflektieren: ihre Geschichte, unsere gemeinsame Zeit, die Veränderungen, die kommen – und die stille Frage, wie es weitergeht. Dieses Gedicht ist aus dieser Wehmut entstanden. Es erzählt von Abschied und Neubeginn, von Familie, von dem, was vergeht – und dem, was bleibt. Vielleicht findest Du Dich auch darin wieder.
Vielleicht kennst Du solche Orte, solche Gefühle. Vielleicht hilft Dir dieses Gedicht, Deine eigenen Erinnerungen zu würdigen.
Ein Haus aus Licht
Sie verwirklichten ihren Traum spät, als wir längst schon gingen,
die Kindheit vorbei, die Wege verzweigt.
Ein Haus aus Licht, aus stillen Erinnerungen,
aus dem, was noch kam, nicht dem, was schon weicht.
Gemeinsam gebaut, mit Geduld und mit Händen,
die wussten, was bleibt, wenn das Leben sich dreht.
Doch der Vater war bald schon ein Schatten im Flur,
sein Wirken verging, als die Krankheit ihn nahm.
Sie blieb dort allein, doch sie suchte die Freude,
kam oft zu uns, brachte Wärme und Zeit.
Meine Kinder noch klein, und sie war wie ein Anker –
ein Besuch, ein Gespräch, eine Hand, die uns bleibt.
Dann kam ein Neuer, ein Mann, der sie mochte,
der sorgte sich, lachte, war zärtlich und da.
Doch das Glück hielt nicht ewig – es begann zu zerbrechen,
und wir waren seltener da, Jahr für Jahr.
Das Haus blieb bestehen, doch die Nähe zerfiel,
wie Blätter im Herbst, die der Wind leise trägt.
Und nun sitze ich hier, und die Räume sind stumm,
der Garten blüht weiter, doch die Zeit ist bewegt.
Ich war oft hier – mit meinem ersten Gefährten,
und nun mit dem zweiten, der sie ebenso schätzt.
Die Männer der Töchter halfen mit Händen und Herzen,
das Haus war ein Ort, der sich nie verschließt.
Nach dem Abschied vom Vater, mit stillem Entschluss,
baute sie Licht an das Haus – einen Wintergarten.
Heiter, sonnig, offen – ein Raum voller Leben,
wo wir saßen und lachten, wo Gäste gern waren.
Und überall Holz – warm, lebendig, vertraut,
vom Schemel zum Schrank, von der Decke zur Wand.
Ihr Vater war Schreiner, sein Werk lebt fort,
in Maserung, Rahmen, in fühlbarer Hand.
Sie liebt dieses Holz, das Geschichten erzählt,
das knarrt und bewahrt, was einst war und noch ist.
Es trägt ihre Welt, es umarmt ihre Räume –
ein Material, das mit Seele sich misst.
Und in der Mitte: der Kachelofen, still,
ein Herz aus Keramik, das Wärme bewahrt.
Sie liebt diese Glut, die den Winter vertreibt,
die Räume erfüllt und die Seele umarmt.
Dort blüht ihre Freude, dort wärmt sich ihr Blick,
dort zeigt sich ihr Mut, ihr Gestalten, ihr Sein.
Ein Ort, der erzählt: Ich bin noch da – und ich lebe.
Ein Ort, der verbindet – uns, sie, das Heim.
Und sie liebt das Grün – in Blättern, in Stoffen,
in Kräutern, in Farben, in allem, was lebt.
Es beruhigt ihr Herz, es umhüllt ihre Sinne,
es ist wie ein Atem, der leise verweht.
Sie bewahrt – was andere längst fortwerfen würden:
alte Lappen, Stoffe, vergessene Dinge.
Nicht aus Nachlässigkeit, sondern aus Achtung,
als hätte alles noch einen Platz, eine Stimme.
Und Du lachst wieder – dort, wo Du jetzt bist,
singst Lieder mit Menschen, die Ähnliches tragen.
Du gehst wieder raus, traust Dich wieder zu leben,
und ich lerne, Hoffnung mit Wehmut zu sagen.
Vielleicht ist dies Wandel, vielleicht ist es Gnade,
dass Du neu beginnst, ohne alles zu verlieren.
Ich werde erinnern – die Kräuter, die Himbeeren,
und Dich, wie du lachst, in den späten Quartieren.
Ein Haus aus Licht, das Du einst erschaffen hast,
bleibt in mir lebendig, egal, was geschieht.
Denn was Du gebaut hast, war mehr als nur Mauern –
es war Liebe, die bleibt, wenn die Zeit weiterzieht.
Und bei jedem Abschied, wenn Du an der Tür standst,
und uns nachgewunken hast, still und vertraut,
dachte ich leise: Wie oft noch? Wie lange?
Denn irgendwann – wird es das letzte Mal sein.

Wir alle haben eine Mutter. Manche waren uns nah, andere eher wie von einem anderen Stern. Sie haben uns gefördert oder standen uns im Weg. Aber sie waren da – am Anfang unseres Lebens, und oft viel länger, als wir es wahrhaben. Ich bin dankbar für meine Mutter. Sie hatte es nicht leicht und war nicht immer einfach. Als Kind und Jugendliche habe ich mich durchaus mal über sie geärgert. Aber sie hat mich immer rückhaltlos unterstützt – ohne Bedingungen, ohne Forderungen, ohne Vorwürfe. Ich glaube, sie fand es gut, dass ich immer meinen eigenen Weg gegangen bin.
Meine Mutter bezeichnet sich selbst als dominant, ja. Aber sie nörgelt nicht, höchstens am Essen, wenn es ihr wirklich nicht schmeckt oder der Teller zu voll oder nicht schön angerichtet ist. Sie erwartet nicht, dass ich mich täglich melde. Und gerade dafür danke ich ihr. Für ihre Stärke, für ihre Klarheit, für ihre Liebe. Heute bin ich selbst Mutter. Ich habe mein Bestes gegeben. Auch meine Kinder werden nicht immer mit mir einverstanden gewesen sein. Aber vielleicht – irgendwann – werden sie spüren, was ich ihnen mitgegeben habe: Liebe, die leise ist. Halt, der nicht drängt. Und ein Vertrauen, das für immer bleibt. Ich möchte auch eine Mutter sein, die nicht fordert, sondern einfach für ihre Kinder da ist - ein Leben lang. Dieses Gedicht ist für meine Mutter. Und für alle Mütter, Menschen mit eigenen Herausforderungen und einem großen Herzen - die alles gegeben und für uns mit ihrer Liebe da waren und vielleicht sogar noch da sind.
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